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O-Ton oder Sprecher?

Die vielleicht meist gestellte Frage vor dem Videoportrait: Muss ich selbst sprechen oder nehmen Sie ’nen Sprecher?

Erinnern Sie sich noch an die in den sechziger, siebziger Jahren oft gesehene Werbetafel: „Hier kocht der Chef“? Damals wie heute geht es beim Eigenmarketing um Vertrauen, darum, dem Kunden von Anfang an zu signalisieren, dass er bei Ihnen in guten Händen ist.

Die Medien ändern sich, an diesem Grundprinzip ändert sich nichts. Gerade das Videomarketing funkioniert hervorragend, um Vertrauen zu potentiellen Kunden, Patienten und Mandanten aufzubauen – erhalten sie doch schon vor einem ersten persönlichen Besuch einen sehr vielschichtigen Eindruck von Ihnen, Ihren Services, Ihren Angeboten und Einrichtungen. Wichtig dabei ist größtmögliche Authentizität – je unvermittelter Sie in einem Beitrag rüberkommen, desto besser.

Deshalb bin ich kein großer Freund von nachvertonten Videoportraits. In den meisten Fällen sind sie viel austauchbarerer und gleichförmiger als Produktionen, in denen Inhaber, Mitarbeiter oder auch Kunden zu Wort kommen. Machen Sie doch mal den Test: Stellen Sie sich den „typischen“ Text eines „typischen“ Hotelvideos vor. Wie wäre es zum Beispiel mit:

„Herzlich willkommen im Hotel Zum Hirschen in Großkleckersdorf. Das Traditionshaus mit 42 Zimmern, Gesellschafts- und Seminarräumen verbindet angenehme Atmosphäre, anspruchsvolle regionale Küche mit allem modernen Komfort. Schon in der Lobby verzaubert Sie der besondere Stil unseres 1874 gegründeten Hauses. In den erst kürzlich renovierten Zimmern erwarten Sie stilvolles Mobiliar und eine zeitgemäße Ausstattung wie moderne Marmorbäder, Minibar und W-LAN. Unser Restaurant Waidmannslust verwöhnt sie täglich außer Montags mittags und abends mit Wildspezialitäten und Leckerein der regionalen Küche. Die Gesellschafts- und Konferenzräume sind auf Gruppen von 6 bis 160 Teilnehmer ausgelegt – von der Hochzeit über die Tagung bis zur Firmenfeier finden Sie hier einen inspirierenden Rahmen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!“

Gut – ein professionell eingesprochener, vorformulierter Text bietet auch eine Vorteile:
• Man kann Informationen optimal gewichten und sicherstellen, dass alle relevanten Aussagen vermittelt werden
• Verständlichkeit und technische Qualität sind in aller Regel hoch
• Auch produktionstechnisch wird vieles einfacher – es reicht ein erfahrener Kameramann, der sich nicht um Ton und Interview kümmern muss, statt eines vielseitigeren Videoproducers

Doch für mich liegen die Nachteile einer nachvertonten Produktion klar auf der Hand:
• Viele höhere Austauschbarkeit (s.o.)
• Schein-Objektivität: Nur weil man so tut, als wäre es eine sachliche Reportage, wird die werbliche Aussage noch lange nicht glaubwürdiger
• Wichtige Dimensionen der Glaubwürdigkeit und der Individualtät gehen verloren – persönliche Ansprache, direkter Bezug zum Betrachter, Akzente, die sich aus der gewichtung der Aussagen, der Wortwahl und vielleicht auch der sprachlichen Färbung ergeben.

Wie wirbt Baden-Württemberg so schön für sich? „Wir können alles außer hochdeutsch“. Auch wenn Sie Migrant sind, breites sächsich sprechen oder schlichtweg ein bisschen nervös vor der Kamera sind – Sie stehen am allerbesten für Ihr Geschäft. Und sei es, dass Sie bei allzuviel Lampenfieber einen Text nicht als Interview, sondern als selbst gesprochenen Hintergrundtext einsprechen – immer noch besser als ein Text aus der Retorte.

Videomarketing verlangt nach eigenen Formaten. Es geht nicht um eine öffentlich-rechtliche, journalistischen Grundprinzipien verpflichtete Trennung von Kommentar und Nachricht. Es geht um Aufmerksamkeit, um Authentizität und darum, zu überzeugen. Und wer kann für Ihr Geschäft überzeugender auftreten als Sie?

25. Dezember 2008 at 14:30 Hinterlasse einen Kommentar


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